Mein Wochenende mit Charly
Von Existenzialistenpullis, Spitznamenstories und plötzlich einsetzender Nervosität
Als ich mir mit 12 mein Leben vorstellte, dachte ich an eine steile Karriere, Glamour und Ruhm. Wie konkret und in welcher Funktion oder Profession ich diesen Ruhm und Erfolg erlangen würde, war in diesen Tagträumen eher unklar. Beruhigend, dass die Liebe zum Theater damals schon ausgeprägt war und ich diese kurz darauf zu meiner „Berufung“ machte.
Einige Jahre des Schuftens, Hospitanzen, Assistenzen und voll mieser kleiner Aufträge gingen ins Land. Ziemlich bald machte sich ein Gefühl in mir breit, dass man mit der Theaterarbeit zwar sprichwörtlich die Welt verbessern und Menschen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann, aber weder Glamour noch großen Reichtum erlangt.
Meine Liebe und Hingabe war so groß und mein Alter fortgeschritten, so war der Wunsch nach Glamour und Ruhm gesunderweise in den Hintergrund gerückt.
Mittlerweile habe ich die Ehre und Freude regelmäßig an glamourösen Theaterereignissen wie der Faust-Preis oder nun der Eysoldtringverleihung teilnehmen zu dürfen.
Hierbei erreicht die Teilnehmer einen Hauch vom soeben erwähnten Glamour. Man wird mit einem Wagen zum roten Teppich gefahren, auch wenn dann der Paparazzi zu seinem Kollegen sagt: „Das is noch nix“ und sich wegdreht. Man bekommt überall Sekt und Häppchen und vor allem trifft man in feierlichem Ambiente einige Kollegen, die ihre schwarzen Existenzialistenpullis gegen rote Abendkleider eingetauscht haben, über die Szene plaudern und Klatsch und Tratsch verbreiten. Man schaut sich um wer so da ist, wen man am besten anquatscht, wo vielleicht ein Star unserer Szene zu entdecken ist.
Vor vier Wochen war ich von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste nach Bensheim geladen zur Gertrud-Eysoldtring-Verleihung, der jedes Jahr an einen Schauspieler mit herausragender Leistung vergeben wird.
Mein Star des Abends war natürlich der diesjährige Preisträger, der naturburschige Polizeiruf-Kommissar Charly Hübner. Schon im Foyer fiel mir der große Mann im blauen Anzug auf, da er ohne Stargetue und mit freundlichem Handschlag den Bürgermeister der Stadt Bensheim begrüßte. An seiner Seite seine Frau Lina Beckmann, ebenso Schauspielerin und eine ebenso allürenfreie und sympathische Erscheinung wie ihr Mann.
Mit der Häufung solcher Verleihungen kam ich in den Genuss, einige tolle Laudationes hören zu dürfen. Gerade bei der Verleihung des Gertrud-Eysoldt-Rings sprach der Regisseur und Autor Christian Tschirner eine so lebensfrohe und emotionale Rede auf den diesjährigen Preisträger Charly Hübner. Nicht, dass es mir nicht leicht fallen würde, über diesen so bodenständig witzigen und irre charmanten Kerl ein paar passende Worte zu finden, obwohl ich ihn nur aus der Flimmerkiste kenne. Die Laudationes interessieren mich mittlerweile fast mehr als die Dankesreden der Preisttäger selbst. Christian Tschirner erzählte von den ersten Schritten auf deutschen Bühnen, schilderte Proben und Gastpiele und beschrieb den Charly als einen Zehnkämpfer, der mit gewaltiger Kraft und Körperlichkeit schon an der Schauspielschule überzeugte. Immer wieder konnte man ein herzlich donnerndes Lachen aus der ersten Reihe von Hübner höchstpersönlich hören.
So schön Beschreibungen von Kritikern, Interviewpartnern oder Bloggern wie mir sind, niemand trifft es so genau wie ein Vertrauter und Freund, jemanden kurz für Zuschauer und Fans aus privater Sicht zu berichten und zu beschreiben. Dies führte zu einem tief gerührten Charly Hübner, der ziemlich wackelig und ergriffen die Bühne betrat um dann seinen Freund und Laudator minutenlang zu umarmen. „Da ist der Christian mit seinen Worten gerade ganz tief in mein Herz gekrochen. Am liebsten würde ich jetzt hinterher kriechen um zu sehen, was er da so rumgeräumt hat!“ sprach Hübner sichtlich gerührt ins Mikro.
Seine Dankesrede – verständlicherweise von Emotionen geschwängert- war dann ebenso rührend und lustig wie die so treffende Lobrede. Besonders gefiel den Bensheimern die Schilderung, dass er ja in den 90ern bei der Woche Junger Schauspieler bereits auf der Bensheimer Bühne gespielt hatte. Lebhaft ließ er uns an dieser Erinnerungen teilhaben. Die meisten Lacher erntete er allerdings, als er mit Ring am Finger an die Rampe trat und „Ich spüre es, es ist Laser“ ins Mirko raunte.
„Ich spüre es, es ist Laser“ Charly Hübner mit dem Eysoldtring am Finger
Angekündigt von der ZDF-Moderatorin Petra Gerster, die durch den Abend führte, musste Charly Hübner erklären, wie er zum Namen Charly kam, wo er doch mit dem Namen Carsten zur Welt gekommen sei. Charly erklärte gekonnt und mit leicht süffisantem Ton, er wolle den „sagenumwobenen Mythos“ seines Spitznamens aufklären. Wobei klar wurde, dass er selbst das Widergeben einer solchen Geschichte als weniger spannend empfand, als die nette Frau Gerster.
Er schilderte eine Szene seiner Jugend, in der er und seine Mitschüler einen alten Mann namens Charly aus dem Viertel veräppelten und ihm ständig hinterher riefen: „Charly Hut ab“ und dieser brav jedes Mal den Hut lüftete. Klein Hübner wollte es aber genau wissen und trieb es etwas weiter. Nach „Charly Hut ab!“ rief er „Charly Hemd aus!“ und der Alte zog sein Hemd aus. Klein Hübner amüsierte sich kräftig und beschloss nicht aufzuhören. „Charly Hose aus!“ und der Alte zog die Hose aus. Es wäre immer so weiter gegangen, wäre nicht Hübners Lehrerin eingeschritten und hätte den Lausbub gestoppt.
Seitdem trägt Carsten Hübner den Spitznamen Charly.
Bei der Party im Anschluss wurden wir alle in einen geschmückten Saal geleitet, es gab reichlich Getränke und ein ‚flying buffet‘. Die persönliche Begegnung mit Charly blieb leider aus, da er völlig belagert und natürlich schwer begehrt war. Ich persönlich gehöre nicht zu der Sorte Grupies, die hingehen mit den Augen klimpern und um ein Autogramm bitten. Ob es Scham oder doch eine Prise Selbstüberschätzung liegt, da ich durch meinen Job in ihm einen Kollegen sehe und es deshalb, nicht für nötig halte, mich in die niedere Sphäre des Fantums herabzustufen? Umso angenehmer fühlte sich die etwas intimere Veranstaltung am darauffolgenden Vormittag im Konferenzraum unseres Hotels an. Hier saß Charly in einer netten Podiumsdiskussion und erzählte wieder äußerst charmant von seiner Jugend in „einem kleinen Kaff in Ostdeutschland“.
Es ging um Themen wie die abziehbildgleichen Inszenierungen am deutschsprachigen Stadttheater, körperliche Verausgabung und ab zu und blitzte eine politische Haltung hervor. Bei allem blieb Charly klug und strotzte, trotz kurzer Nacht, von unbändiger Energie.
Einige Bensheimer stellten Fragen, es wurde ausgelassen gelacht und im Anschluss durfte man ganz nah an den Fernsehstar heran. Kleine Mädchen stellten sich brav in die Reihe um nach einer Fortsetzung von Bibi und Tina zu fragen, andere machten die üblichen Selfies und sogar ich fasste mir nun ein Herz und sprach ihn an. Mit einem Flyer bewaffnet plapperte ich -dann doch mal nervös, bin ich ja sonst nie- drauflos. Er, wieder so freundlich, plapperte zurück und nahm mir jegliche Angst. Sofort fand er die Blogidee über Eisenach toll und verprach unsere Who-is-Who-Fragen zu beantworten. Bei der Frage nach einem Foto sagte er gleich: „Ja logisch“ hielt unseren Flyer vor sich und posierte für mich.
Ich bin immer noch schockverliebt!
In einem Interview hat Charly Hübner einmal geäußert, dass es der Selbstzweck seines Berufes sei, sich anzumaßen, ‘anderen Menschen etwas Nicht-Materielles schenken zu können – ein Lachen, eine Lebensidee, eine Erkenntnis. ‘ Er erzählt, wie Menschen, die im Theater eben noch weinten, einem danach glücklich um den Hals fallen. Und sagt: ‚Das kann so nur das Theater.‘ Und das können nur große Spieler wie Charly Hübner.“
Hach, ein Glück für jeden, der Charly Hübner mal begegnen darf! Er ist so eine saucoole Socke, privat und beruflich und macht sowohl am Theater als auch vor der Kamera extrem gute, professionelle und berührende Arbeit. Ich bin so glücklich, wenn ich hin und wieder mit ihm arbeiten kann, das ist einfach entspannt und es kommt immer was gutes bei rum!
Er und auch Lina gehören echt zu den Menschen, denen man ihren Erfolg absolut überhaupt nicht neiden kann, so ohne Allüren und soooo gut, wie sie sind!!
Und weiter so mit eurem Blog!
Vreni
Liebste Vreni, dann hoffen wir mal, dass es Dir und mir noch öfter vergönnt sein wird 😉