Irgendwie, irgendwo, irgendwann…
Von Gutscheinen und anderen Unzulänglichkeiten..
TA Kolumne am 22.09.2022
Werte Leserinnen und Leser, der Countdown läuft – nur noch 93 Tage bis Weihnachten und immer noch kein Geschenk für die Liebsten? Leichte Panik schleicht sich an, wenn die Tage kürzer, die Nächte kälter und die Pfefferkuchen in den Regalen immer aggressiver angepriesen werden, weil Geschenkideen von Sonnenbrille über warme Socken bis zum Buch „Wie werde ich Millionär?“ ihre gedanklichen Prioritäten wechseln wie das Chamäleon die Farbe.
Was schenken bei der Riesenauswahl an Dingen, die man kaufen oder sogar gebrauchen könnte?
Das Grübeln über Sinn oder Unsinn, Freude oder Enttäuschung verursacht bald Schwindelanfälle, und je mehr in Frage kommt, desto öfter wird eine zunächst für gut befundene Idee bald von Zweifeln angefressen und schließlich weggeworfen wie ein Lebkuchen, der – im Sinne von Loriot – „ohne Lametta“ halt noch nicht schmeckt. Wieder einmal zeigt sich: der Markt funktioniert trotzdem und mit kleinen marktkonformen Behelfskrücken sogar noch besser – wie die heutige Kolumne vorführt: Nach allem Hin und Her, nach Suchen und Bangen, wird es sich dann erst am Heiligabend zeigen, ob die Wahl klug und vor allem gefällig war. Wenn die Spannung zum Platzen groß ist, dass man es kaum erwarten kann, sein Präsent zu betasten, zu biegen, zu schütteln und daran zu schnuppern. Wenn es nach zelebrierter Rateshow seiner phantasievollen Hüllen endlich entledigt wird, auf dass der Inhalt befreit werde und die Vorfreude Purzelbäume in die Realität schlagen kann… Und dann, ja dann ist das Geheimnis gelüftet: Aha, ein Gutschein! Danke, wirklich nett von Dir…
Das Versprechen auf ein geschenktes Irgendwas aus irgendeinem Laden passt halt irgendwie immer,
und wird den stolzen Besitzer irgendwann zu seinem ganz persönlichen Objekt der Begierde führen. Toll einfach und bequem eigentlich – so ein profilloses, an sich x-beliebiges Präsent! Ich kenne niemanden, der keinen Gutschein besitzt, und sehr viele, die sich frühestens Mitte des Folgejahres ans einst geschenkte Kärtchen erinnern, um es einzulösen, bevor die gesetzte Frist abgelaufen, oder bevor, was derzeit noch wahrscheinlicher ist, dessen Wert ganz verfallen ist. So wird der „sichere Ort“, an den man den Schatz in weiser Voraussicht gut verwahrt hatte, zunehmend hektischer durchsucht und genau dort ganz oft nicht gefunden. Aber irgendwo muss er doch sein, denkt man, er kann sich ja nicht selbst vergütet haben! In der Hoffnung, dass ihn nicht irgendjemand – und das möchte man als Beschenkte(r) natürlich nicht gewesen sein – irgendwann mit dem Zeitungsstapel versehentlich entsorgt hat, hält einem das heiße Suchspiel oft für Wochen in Atem. Finden Sie sich in dieser Geschichte irgendwie wieder? Wenn nicht, dann vielleicht, weil sich mit Ihrem Gutschein eine Ballonfahrt oder ein Wellness-Wochenende verbindet. Das allerdings zählt nicht, denn derartiges wird meist eingerahmt und mit Datum versehen. Ein halb anerkennendes, halb neidisches Hoch aber all Jenen, die ihre Gutscheine planen, organisieren und hiernach gezielt einsetzen. Sicher erfreuen sie sich alle Jahre wieder an diesen als bunte Kärtchen getarnten Glücksversprechen. Jetzt aber hopp, hopp zum Lieblingsladen, um einen Gutschein für die Liebsten zu erwerben. Hoffentlich sind die nicht schon vergriffen!
Irgendwie, irgendwo, irgendwann