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Weniger ist immer noch genug

Kolumne aus Thüringer Allgemeine Zeitung

Verzicht ist das neue It-Piece!

Vielleicht erinnern Sie sich noch an das neue Format, mit dem das Theater am Markt Anfang Februar an den Start trat – Überschrift: „All you need is less – Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“. Im kritischen Fokus stand dabei unsere Konsumgesellschaft, die ständig neue Begehrlichkeiten weckt und sich so fortgesetzt reproduziert. Gerald Hüther, der prominente „Verzichter“, erklärte noch im Februar, wie einfach es sein kann, ganz ohne Konsum sein Glück zu finden. Als ob er gewusst hätte, dass vier Wochen später jenes Laufrad tatsächlich angehalten wird.

Plötzlich war`s still. Lock-down

Plötzlich war‘s still im ganzen Land. Lock-down! „Nichts mehr wird danach so sein wie vorher“, orakelte man düster. Und als am Ende des Tunnels Licht erschien, wurde immer wieder bedeutungsschwanger gefragt: „Was haben wir aus der Corona-Krise gelernt?“ Wie sagte doch gleich unser alter Geschichtsprofessors? „In Geschichte lernt man zuallererst, dass man aus Geschichte nichts lernt“. Und tatsächlich: Alle Autos fahren wieder, alle Konsumtempel stehen wieder sperrangelweit offen, wacklig gewordene Unternehmen suchen wieder auf die Beine zu kommen, gelernte Verbraucher werden mit Rabatten und reduzierter Mehrwertsteuer geblendet. War da was? – Ach ja: die leidigen Reglementierungen!

Das Zuviel

Die Maske, geboten oder empfohlen, hat es fast schon zum Mode-Accessoire gebracht, hätte das Zeug zu mehr… Aber ehrlich: atmen kann man damit eher nicht, kriegt kaum Luft zwischen all den Klamotten im Kaufhaus, kann gar nicht ordentlich sagen, wonach man vielleicht so sucht oder was man eventuell ganz gern haben würde… Irgendwie stört das Ding, die Brille beschlägt, man hat Hustenreiz. A nice shopping tour mit Maske? Ach nee!  Aha, da haben wir’s: Konsumkiller Maske! So etwas kann unsere Wirtschaft nie brauchen, jetzt schon gar nicht, wo sie eingebrochen ist! Vielmehr müsste es heißen: „jajaja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt…“ – und genau das gilt in der Konsumgesellschaft gefälligst auch für Konsumenten! Weshalb heißen wir wohl so, wofür sind wir da? Wo soll das ganze Zuviel an Zeug denn hin? Mal Hand aufs Herz: wie viele „Teile“ wohnen in Ihrem Kleiderschrank und wie viele davon (ge)brauchen sie wirklich? Nicht mal die Hälfte, wetten? 

Mensch, geht doch

Brauchen wir eigentlich immer Reglementierungen und Sanktionen für eine sinnvolle Organisation unseres Daseins, für den verantwortungsbewussten Verzicht? Wirtschaft und Verkehr standen mal kurz still, trotzdem hat die Welt sich weiter gedreht, und alle haben festgestellt: besseres Klima, weniger Lärm, weniger Müll, und verhungert ist hierzulande auch keiner. Ja Mensch, geht doch! Wäre echt an der Zeit, unseren Kopf einzuschalten, ein bisschen zu haushalten mit den natürlichen Schätzen, die wir offenbar nicht schätzen. Öfter zu verzichten auf Verzichtbares. Damit uns die Welt nicht irgendwann zum Verzicht auf alles verdonnert… 

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