Unser tägliches Brot…
TA Kolumne vom 03.11.2022
von Birk Töpfer
…. gibt uns heute mehr denn je die Lebensmittelindustrie. Leider habe ich zu viele Fachmessen gesehen, Inhaltsstoffe auf Etiketten gelesen und Kollegen die falschen Fragen gestellt, um diesem Industriezweig meine gesunde Ernährung anzuvertrauen. Nicht falsch verstehen! Ich meine keine unentdeckten Skandale, nichts Verbotenes oder Unhygienisches. Alles sauber und rechtens, nur eben nicht natürlich und ursprünglich. Ein traditionell hergestelltes gutes Brot besteht aus 3 Zutaten: Wasser, Mehl und Salz. In der EU sind allein 13 Backtriebmittel zugelassen, dazu kommen Feuchthaltemittel, Konservierungsstoffe, Säureregulatoren etc. Da sind Mehl, Wasser und Salz noch gar nicht mitgezählt. Der Lebensmitteltechnologe mag jetzt einwenden, dass ja nicht alles schlecht sein muss, was da beispielsweise in die Brötchen kommt. Ich frage: Warum kommt es da rein, wenn es seit hunderten von Jahren auch ohne geht? Wenn ich eine Vermutung äußern darf: Es ist einfacher, schneller und effizienter in der Herstellung, weil maschinengerecht, steuerbar, prozessierbar, kurz – die Brötchen sind billiger. Mit Hilfe von sehr großen und sehr teuren Maschinen werden Produkte hergestellt, die sehr günstig sind und die kein Handwerksbetrieb mit seinem generationenalten Wissen und lebenslanger Erfahrung zu diesen Preisen anbieten kann. Denn gutes Brot braucht Zeit, Erfahrung und viele geübte Handgriffe, mittlerweile auch sehr teure Energie und teures Mehl. Mit dem krisenbedingten Aus der Bäckerei Jung in Ruhla (die TA hatte berichtet) verlieren eine Bäckerfamilie und die Angestellten ihre Existenzgrundlage, verschwindet ein Stück Handwerkskunst aus der Region und nicht zuletzt bleiben bis dato zufriedene Kunden mit leeren Brotkörben zurück. In meiner Küche blubbert oder manchmal knistert regelmäßig ein Sauerteig vor sich hin. Dieser Sauer ist ein lebender Organismus und schon einige Jahre alt, wird regelmäßig gefüttert und ist sonst recht anspruchslos, verglichen mit anderen Haustieren. Alle ein bis Wochen hilft er mir ein frisches Brot zu backen und Brötchen oder demnächst einen Zwiebelkuchen. Sollte bei all denen, die ihren Bäcker vermissen, zukünftig der Sauerteig in der Küche blubbern? Fänd‘ ich toll – einerseits. Doch wo soll das andererseits hinführen, wenn auch Restaurants schließen, Handwerker auf lange Sicht ausgebucht sind und Autowerkstätten kaum freie Termine haben? Die meisten müssten wieder lernen zu kochen, zu bauen, zu reparieren. Klar sind die Regale voll mit Ratgeberliteratur, im Internet finden sich jede Menge Blogs und Tutorials bei Youtube. Jedoch bei einer 40 Stunden-Woche auch die Zeit dafür zu finden, ist zweifellos utopisch. Ohne Utopie wird es zwar auch weiter gehen, aber gewiss nicht besser. Lasst uns also darüber einig werden, wie eine solche Utopie aussehen soll! Wollen wir die billigen Brötchen, damit wir uns die neue Smartwatch auch noch leisten können oder ein ehrliches, reines Brot und statt der Uhr, die Zeit zu genießen?